zurück

05.05.1994, Berliner Zeitung | Berlin-Rundschau

Clara spricht

Gestern sprach Clara Zetkin auf dem Hegelpatz zu Frauenfragen -- in persona von Schauspielerin Walfriede Schmitt von der Volksbühne. Mit dieser Aktion wollte die Frauengruppe lila offensive gegen die vorgesehene Umbenennung der Clara-Zetkin-Straße protestieren. Foto: Studre

05.05.1994, Neue Zeit | Länder
von Karin Fischer

Die verkleideten Damen durften bei Rot über die Kreuzung

Bühnenreifer Protest gegen Rückbennungsvorschlag für die Clara-Zetkin-Straße in Dorotheenstraße
Frauenbeauftragte der Humboldt-Universitär sammelt Unterschriften für den Erhalt des Namens

MITTE Der Aufschwung Ost pausierte für ein paar Minuten in der Clara-Zetkin-Straße. Auf allen Baugerüsten kehrten die Ausstreicher den Fassaden den Rücken zu und beugten sich über die Brüstung. Da unten lief am Mittwoch Vormittag ein Spruchband lang. Was darauf stand, konnten die Arbeiter nicht sehen, aber die Hüte der Frauen, die das Band im Gänsemarsch trugem, kamen ihnen wohl komisch vor. Lächeln von allen Gerüstetagen. Ein Mann mit gelben Helm und Schlips las den Spruch und schüttelte verstaändnislos den Kopf: "Die Frauenarbeit abzuschaffen, das läuft daraus hinauf, die Frauen zur Knechtung zu verurteilen... Clara Zetkin, 1989".
Als die 15 Mitgieder der Fraueninitiative "lila offensive" mit ihrem langen Band bei Rot über die Kreuzung Clara-Zetkin-/Universitätsstraße gingen, guckten die Pluziten in ihrem Kleinbus weg. Nun waren sie mit ihren Kapotten und Schleiern am Ziel ihrer Protestveranstaltung: dem Hegelplatz. Hier fragte ein Polizist: "ist die Minidemonstration genehmigt?" - "Das ist eine Kunstaktion" wurde ihm spitz erwidert. "Wenn es mit Clara Zetkin zu tun hat, ist es wohl eher frauenpolitisch." Die differenzierte Einordnung der Aktion vom Staatsdiener bekam Beifall, und eine der "lila offensive" Vertreterin machte willig alle Angaben.
Da in Berlin kein Denkmal für Clara Zetkin steht, haben die Frauen der 1989 gegründeten "lila offensive" in der Straße, die nach dem Vorschlag der vom Verkehrssenator eingesetzten Kommission wieder Dorotheenstraße heißen soll, für einen Moment ein Standbild errichtet. Sie sperrten - mit lilafarbenem Band, versteht sich - ein Geviert auf dem Pflaster des Hegelplatzes ab. Da hinein stellte sich die Schauspielerin Walfriede Schmitt - im Habitus der Frauenrechtlerin, versteht sich - auf ein Podest mit der Aufschrift "Clara Zetkin". Die von Castorf gestählte Volksbühnendarstellerin trumpfte mit ihrem Schnürstiefelchen auf und rief: " Bis jetzt hat der Teilnahme des weiblichen Geschlechts am öffentlichen Leben auch die Gleichgültigkeit der Frau im Wege gestanden!" Wähend die Kapotten die Feststellung der Zetkin bitter quittierten, sonnte sich unweit auf der Wiese die Studentin Katrin Naser. Das Frauenhappening in ihrer Nähe interessierte sie nicht: " ich hab soviel anderes im Kopf."
Daß die zweite Gattin des Großen Kurfürsten, Dorothea, hier wieder auf den Straßenschildern plaziert werden soll, glaubt die "lila offensive" allein verhindern zu müssen. Die Hotels an der Straße und die Botschaften "die werden wohl dagegen nicht protestieren, daß Clara in die Kiste kommt und Kurfürstin wieder raus", sagte Walfriede Schmitt, als sie mit ihrem Papp-Podest abzog.
"Ausgesprochen schockiert" zeiget sich die Frauenbeauftragte der Humboldt-Universität, Marianne Krszio, daß sie zu dieser Aktion vor ihrer Tür nicht eingeladen war. Sie hat bereits 400 Unterschriften gegen die Rückbenennung der Straße gesammelt und mobilisiert gerade Protestschreiben von Historikerinnen aus den USA. Die Präsidentin der Humbolt-Universität habe sich mit einer Stellungnahme zurückgehalten, "schließlich ist in der Kommission, die diese Rückbenennung vorschlägt, der Lehrstuhlinhaber im Fachbereich Philosophie, Heinrich Winkler".
In der Intendanz des Maxim Gorki Theaters, das an der Clara-Zetkin-Straße steht, hat man von dem Rückbenennungsvorschlag noch gar nichts gehört.

05.05.1994, Neues Deutschland

Die Zetkin(-Straße) und die Frauenfrage

Erst war sie Denkmal, dann sprach sie zum Volke - Clara Zetkin, in Gestalt der Schauspielerin Walfriede Schmitt, hielt eine Rede von 1889: "Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart". Das vollzog sich gestern auf dem Hegelplatz. Die Frauengruppe "lila offensive" protestierte mit dieser Aktion gegen die drohende Umbenennung der Clara-Zetkin-Straße.


Foto: Burkhard Lange

05.05.1994, Berliner Kurier

Protest mit historischer Rede

Aktion gegen Umbenennung. Die Schauspielerin Walfriede Schmitt trat gestern auf dem Hegelplatz (Mitte) als Frauenrechtlerin Clara Zetkin (1885 - 1933) auf, verlas ihre Rede: " Die Arbeiterinnen und die Frauenfrage der Gegenwart". Mit dieser Aktion protestierten rund ein Dutzend Mitglieder der Frauengruppe "lila offensive" gegen die Umbenennung der Clara-Zetkin-Straße. Eine Teilnehmerin: "Clara Zetkin hatte ihr Leben dem Kampf für die Rechte der Frauen gewidmet. Dazu gehörten das Frauenwahlrecht und das Recht auf Bildung. Die Straße muß ihren Namen behalten." Der Senat will die Straße in Dorotheenstraße umbenennen.


Foto: Stckforth

zurück